Überessen aus ayurvedischer Sicht

Was Ayurveda zum Thema Überessen sagt

Das erfährst Du in diesem Artikel:

» DIE MENGE ALS EINES DER WICHTIGSTEN PRINZIPIEN
FÜR GESUNDE ERNÄHRUNG
» Was passiert, wenn wir überessen?
» So erkennst Du, dass zu viel gegessen hast
» Was ist die optimale Menge?
» GRÜNDE FÜR ÜBERESSEN
» So erkennst Du, wann Du satt bist
» Wann sind wir bereit für die nächste Mahlzeit?
» SO KANNST DU ÜBERESSEN VERMEIDEN

Die Menge als eines der wichtigsten Prinzipien für gesunde Ernährung 

Ayurveda gibt Empfehlungen zur Ernährung, die sehr individuell sind. Die Empfehlungen reichen von Geschmacksrichtungen über die Wahl der spezifischen Lebensmittel, bis hin zu Konsistenz und Kochweise. 

Bevor es jedoch individuell wird, gibt es Grundprinzipien, die für jedermann gelten.

Die zwei wichtigsten Prinzipien einer gesunden Ernährung nach Ayurveda lauten:

  1. Menge / Ausmaß: 
    die richtige Menge zu sich nehmen
  2. Tageszeit:
    zur richtigen Zeit essen
  3. Die weiteren Grundprinzipien des ayurvedischen Kochens kannst Du hier hören: Podcast Interview mit Daniela Wolff an „Ayurvedisch kochen ohne Dosha Wissen“

Was passiert, wenn wir überessen?

Essen über unsere Verdauungskapazität hinaus, bleiben unverdaute Rückstände. 

Diese unverdauten Rückstände nennt der Ayurveda AmaDas Prinzip von Ama kann beim ersten Betrachten mit Schlacken, Toxinen oder Stoffwechselrückständen verglichen werden. Beim genaueren Betrachten ist Ama jedoch weit mehr. Ama bedeutet wörtlich übersetzt „das, was nicht zu mir gehört“. Wo Ama ist, kann Krankheit entstehen. 

Überessen schwächt unser Verdauungsfeuer und somit Kapazität zu unterscheiden, was uns guttut, und was nicht. Beim Verdauungsprozess zerkleinert unser Körper alles Grobstoffliche bis ins Kleinste, spaltet auf, transformiert, nimmt Mikronährstoffe auf, bekämpft unerwünschte Keime und scheidet das aus, was uns nicht nützt. Unser Verdauungsfeuer beschränkt diese Fähigkeit zu unterscheiden jedoch nicht nur auf Nahrung, sie findet mit allem statt, das wir durch unsere fünf Sinne in unser „System“ eintreten lassen.

„… wenn Agni geschwächt ist, dann heißt es, dass ich das, was ich zu mir nehme, durch das Essen oder durch andere Sinneswahrnehmungen, nicht richtig verarbeite. Das heißt es sind unverarbeitete Dinge in mir, ich sage jetzt einfach mal Komplexe in mir, sowohl auf der psychischen als auch der körperlichen Ebene.

Das nennt man im Ayurveda Ama und wenn Ama da ist, dann verändert sich natürlich unsere Persönlichkeit. Da wird unsere Persönlichkeit von diesen unverarbeiteten Dingen überschattet und kann sich nicht so ausdrücken, wie sie eigentlich ist. Das führt dann zu Müdigkeit und auf emotionaler Ebene auch zu Entgleisungen.“

Dr. Wolfgang Schachinger – Auszug aus seinem Podcast Interview zum Thema Agni und Ama

So erkennst Du, dass zu viel gegessen hast:

  • Schweregefühl und Unwohlsein nach dem Essen
  • Müdigkeit nach dem Essen
  • Magendrücken oder Magenschmerzen
  • Das Essen bleibt länger als gewöhnlich im Magen, wir fühlen uns ungewöhnlich lange „voll“
  • Wiederkehrendes Aufstoßen mit dem Geruch / Geschmack Deiner letzten Mahlzeit

Du solltest Dich auch nach dem Essen leicht fühlen und frische Energie verspüren.

Was ist die optimale Menge?

Unser Körper liefert auch hier eine individuelle Antwort. Forme Deine beiden Hände zu einer Schüssel – die Menge an Essen, die hier Platz findet ist Deine optimale Menge.

Unser Magen soll beim Essen zu 2/3 gefüllt werden. Lass ein Drittel frei, damit Dein Magen seine Arbeit – Vermengen des Speisebreis und Vorverdauen – problemlos durchführen kann. 

Gründe für Überessen

1. AMA – unverdaute Rückstände / Toxine im Körper

Ama – unverdaute Rückstände – können dazu führen, dass wir Überessen. Warum? Ama verstopft die groben und feinen Körperkanäle, die für den Transport von Nährstoffen, der Reinigung des Körpers, der Energiegewinnung uvm. zuständig sind. 

Sind wir nicht mehr in der Lage die Nährstoffe aus unserer Nahrung aufzunehmen, fallen wir in ein Defizit und unser Körper verlangt automatisch nach mehr Nahrung. 

Auch der Geschmackssinn stumpft ab, was dazu führt, dass wir uns extreme Geschmäcker oder einfach „Mehr“ wünschen.

2. EMOTIONALES UNGLEICHGEWICHT

Essen wirkt erdend, beruhigend, stabilisierend. Wenn wir phasenweise oder generell zu Überessen neigen, dann ist die Ursache oft auf emotionaler Ebene zu finden.

Fragen, die Du Dir stellen kannst, wenn Überessen Dein Thema ist:

  • Bin ich liebevoll im Umgang mit mir selbst?
    Habe ich abwertende Gedanken über mich?
    Übergehe ich meine Grenzen, körperlich und/oder emotional?
  • Bin ich glücklich und erfüllt mit dem, was ich täglich tue? (beruflich und privat)
  • Wie laufen Tage, an denen ich überesse? 
    Wie ist das Stresslevel an Tagen wie diesen? 
    Habe ich mir Pausen gegönnt? Konnte ich zwischendurch für mich sorgen (körperlich und emotional)? Hatte ich Ärger, Streit oder Sorgen?
  • Was wünsche ich mir eigentlich an Tagen, an denen ich überesse?
    Eine Pause vom Arbeiten, eine Pause vom Leben, geistiges Abschalten, eine Umarmung, dass mir jemand zuhört, etc.

3. GEWOHNHEIT

Essen ist großteils Gewohnheit. Das, was wir täglich tun, formt uns am Meisten. Unsere Gewohnheiten machen uns zu dem, was wir heute sind.

Alles, was wir aus Gewohnheit tun, erfordert keine Anstrengung. Die gute Nachricht ist daher – wir können neue Gewohnheiten entwickeln, die Gesundheit und Wohlbefinden fördern.

Überessen an sich kann zur Gewohnheit werden. Wenn wir gewohnt sind zwei Teller, statt einem zu essen, verändert auch der Magen sein Fassungsvermögen und wir werden dauerhaft zu viel essen wollen. Auch das Gefühl von einem schweren Magen und einer gewissen Lethargie durch das Essen kann zur geliebten Gewohnheit werden. 

4. UNGLEICHGEWICHT DER DOSHAS

Sind die Doshas nicht im Gleichgewicht, kann auch das zu Überessen führen. 

Vata im Übermaß beispielsweise kann einerseits dazu führen, dass man im hektischen Alltag auf Essen vergisst und schließlich das Gefühl von Hunger verliert und immer weniger isst. Andererseits kann ein Vata Überschuss auch zu Überessen führen. Wenn wir die Bodenhaftung verlieren und uns in einem Strom von nicht-enden-wollenden Gedankenspiralen, Sorgen und Überforderung wiederfinden, ist (Über)Essen oft der unbewusste Versuch, die fehlende Erdung wiederherzustellen.

Pitta im Übermaß kann dazu führen, dass wir zu schnell verdauen – wir neigen zu Durchfällen oder ungeformten Stuhl. Es können sich auch Nahrungsmittelreste im Stuhl befinden. Dies alles sind Anzeichen dafür, dass wir die Nährstoffe und Energie aus unserer Nahrung nicht aufnehmen. Dies führt zu vermehrtem Hunger und Durst.

So erkennst Du, wann Du satt bist

1. Höre auf Deinen Magen
Unser Magen gibt ein eindeutiges Zeichen, wenn er genug hat: Du musst aufstoßen, Luft entweicht. Wenn Du achtsam isst, wirst Du das Aufstoßen bemerken. Je nachdem, was Du zuvor gegessen hast, wie lange die Essenspause war und wie der Zustand Deiner Verdauung ist, wird das Aufstoßen früher oder später kommen.

Beende Dein Essen mit oder vor dem ersten Aufstoßen, um Dein Essen optimal verdauen zu können und so auch alle Nährstoffe optimal aufnehmen zu können.

2. Höre auf Deine Sinne
Wenn wir hungrig sind, schmeckt und riecht das Essen besser und intensiver. Wenn wir bereits gesättigt sind, ist auch unser Geschmacks- und Geruchssinn gedämpft. Das ist ein natürlicher Schutz vor Überessen. Ist unser Essen jedoch extrem gewürzt, mit chemischen Konservierungsstoffen angereichert oder übermäßig süß, versagt dieser Mechanismus (denk z.B. an Chips oder Fertigessen). Teste Deine Sinne mit milden Speisen, um herauszufinden wie sie sich im Laufe einer Mahlzeit verhalten. 

3. Geistiges Unwohlsein, das während dem Essen auftritt
Wenn wir über das Sättigungsgefühl hinaus essen, ist das Stress und Überforderung für unseren Körper. Diese Überforderung kannst Du mitunter auch emotional spüren, indem Dich z.B. die Tischsituation plötzlich (subtil) stresst und Du nicht mehr geistig entspannt und zufrieden bist beim Essen.

Wann sind wir bereit für die nächste Mahlzeit?

1. Je nachdem, was wir gegessen haben, sollte ein Abstand von vier bis sechs Stunden zwischen unseren Mahlzeiten liegen.

2. Prüfe, welches Nasenloch blockierter ist als das andere

Es gibt eine einfache Methode, um zu prüfen, ob Dein Körper noch mit dem Verdauen der letzten Mahlzeit beschäftigt ist. Prüfe, welches Nasenloch mehr Luftstrom durchlässt und freier ist. Den ganzen Tag über ist jeweils eines der beiden unserer Nasenlöser mehr blockiert als das andere. Die rechte Körperhälfte steht für die männliche Sonnenenergie, die aktiviert wird, wenn wir verdauen. Die linke Körperhälfte steht für die kühlende, weibliche Energie.

Wenn Du Hunger spürst und Dein rechtes Nasenloch freier als das Linke, solltest Du bereit für die nächste Mahlzeit sein.

3. Lerne Hunger und Appetit zu unterscheiden.
Hast Du häufig Lust auf Zwischenmahlzeiten oder Süßes, können sich dahinter andere Themen verbergen. Bei einem körperlichen Energietief beispielsweise liegt der Griff zu Süßem oder Kaffee nahe, bei emotionalen Themen allerdings ebenso. Frag Dich, was Du wirklich brauchst. Gönn Dir eine Pause und sei für kurze Zeit nur für Dich da.
Trink ein Glas warmes Wasser oder Tee, setz Dich in Ruhe hin, schließ die Augen und nimm ein paar tiefe Atemzüge. Versuch die Gedanken für ein paar Atemzüge oder Minuten vorbeiziehen zu lassen, wie Wolken am Himmel. Spür Deinen Körper und sei einfach nur da. Eine kurze Zuwendung in einer Form wie dieser lässt die Lust auf Essen häufig versiegen.

So kannst Du Überessen vermeiden:

Gründlich kauen
Der Mund ist die erste Station der Verdauung. Je gründlicher kauen, desto leichter haben es Magen und Darm, um das Essen in Energie zu verwandeln und vollständig zu verwerten.
Kaue jeden Bissen so lange, bis es zu Speisebrei geworden ist. Jeder Bissen, den Du schluckst sollte vollständig mit Speichel bedeckt sein. Du entschleunigst Dein Essen dadurch und gibst Deinem Körper Zeit die richtigen Verdauungsenzyme zu produzieren.

Besteck nach jedem Bissen weglegen
Auch das hilft Dir beim Entschleunigen Deiner Mahlzeit und dem bewußten Essen. Es braucht an die 20 Minuten, bis sich ein bewußtes Gefühl von Sattsein einstellt. Wenn wir zu hastig essen, ist in dieser Zeit schnell mal das Doppelte von dem Gegessen, was uns gut tut.

Mengenkontrolle beim Kochen
Koche bewusst nur so viel, wie Du essen kannst. Wenn Du so großgeworden bist wie ich, ist “Aufessen müssen” ein tief eingeprägtes Muster. Essen wegzuschmeißen ist nie wünschenswert, aber wenn es mal passiert, dass Du zu viel gekocht hast mach Dir bewußt, dass Dein Magen kein Ersatz-Biomülleimer ist. Wenn Du das Essen nicht für später aufheben kannst oder möchtest, ist es auch gut, es über den Biomüll wieder in den Kreislauf zurück zu schicken. Ein übervoller Magen schadet Deiner Gesundheit und Du hilfst damit Niemandem.

Verwende kleinere Teller / Schüsseln
Im Restaurant sind halb leere Teller schick. Das Essen lässt sich wunderschön anrichten und kommt besonders zur Geltung. Unser Gehirn ist aber auf volle Teller programmiert. Ein halb leeres Teller hinterlässt uns mit dem Gefühl, dass wir nicht genug bekommen. Das verleitet dazu, die Teller zu voll zu packen.
Verwende stattdessen kleines Geschirr und hol Dir lieber einen kleinen Nachschlag, um das Gefühl zu haben, dass Du nichts entbehren musst.

Zelebriere Dein Essen
Mach aus jedem Essen eine bewußte Pause für Dich. Setz Dich zu einem hübsch gedeckten Tisch, zünde eine Kerze an oder finde ein anderes Ritual rund um Dein Essen. Bevor Du isst, nimm ein paar tiefe, ruhige Atemzüge. Mach Dir bewusst, dass das Essen auf Deinem Teller ein Geschenk der ganzen Welt ist und Dich und Deinem Körper mit Lebensenergie versorgt. Denk vor dem ersten Bissen an das Verdauungsfeuer in der Mitte Deines Körpers und stell Dir vor, wie es das Essen gleich in Energie umwandeln wird. Wende Dich Deinem Essen zu – nimm die Farben, Gerüche und den Geschmack wahr. Versuche die verschiedenen Geschmacksrichtungen heraus zu schmecken und nimm die unterschiedlichen Texturen wahr.

Beende Dein Essen bewußt
Bleib nach dem Essen sitzen und beende bewußt den Prozess des Essens. Stell Dir vor wie das, was Du grade gegessen hast Dich nun mit Energie versorgt. Freu dich bewußt und mit Dankbarkeit darüber, dass du in der kostbaren Lage bist, ein warmes und nahrhaftes Essen zu genießen.

Keine Ablenkung beim Essen
Lass Dich beim Essen nicht ablenken von Handy, Fernsehen oder Arbeit. Führe auch keine schwierigen Gespräche beim Essen. Wende Dich bewusst dem Prozess des Essens zu. Damit erleichterst Du Deinem Verdauungsfeuer die Arbeit.

Frag Dich – was brauche ich grade?
Wenn Du nach dem Beenden Deiner Mahlzeit noch weiter essen möchtest, frag Dich – was brauche ich gerade?
Wonach suchst Du eigentlich, was tut Dir in dem Moment gut?

Lenk Dich mitunter ein paar Minuten ab, indem Du beginnst die Küche aufzuräumen, oder ein paar Minuten nach draußen an die frische Luft gehst. Du kannst auch Zähne putzen, um den Geschmack im Mund und die Lust nach Mehr zu neutralisieren. Der Appetit auf mehr Essen vergeht meist von alleine. Und erinnere Dich daran – Du hast Deinem Körper gerade alles gegeben, was er braucht. Du bist gut genährt. Freu Dich bewusst auf Deine nächste Mahlzeit.